Liebes Bildungssystem,
6 Jahre lang habe ich ein Kind dazu ermutigt, kreativ zu sein, sich auszudrücken, habe ihm gesagt, es sei ok, es selbst zu sein, Entscheidungen zu treffen, Verantwortung zu übernehmen, eine eigene Meinung zu haben, achtsam mit seinem Körper umzugehen und seinen Bedürfnissen zu folgen; dann kamst du:
Du belohnst kleine Kinder mit Stempeln dafür, stundenlang einfach ruhig zu sein, brav stillzusitzen, bloß nicht aufzufallen, nur zu reden, wenn man gefragt wird, auf Knopfdruck nur die richtigen Antworten auszuspucken, ohne über Alternativen nachzudenken, nie über die Linien zu malen und statt individuell unbedingt angepasst zu sein.
Du brichst mir das Herz! Du verwandelst wissbegierige, aufgeschlossene, fröhliche Kinder in zerrisse, willenlose, hilflose, verunsicherte kleine Menschen, die im 45 Minuten Takt immer mehr ihrer Persönlichkeit aufgeben müssen um dem zu entsprechen, was du als Maßstab ansetzt.
Unter dem Deckmantel der Vergleichbarkeit presst du ungeachtet der Talente und Stärken des Kindes mit Hochdruck deine veralteten Lösungsansätze in die kleinen Köpfe und lässt dabei immer weniger Luft für etwas anderes.
Aus Dingen, die Spaß machen sollten, werden so Zwänge, aus Kreativität wird Pflicht und aus Individualität Konformität.
Kein Raum fürs Wollen, denn das Müssen füllt alles aus.
Wie viele Kinder wirst du noch brechen und wie vielen Therapeuten ihre Stadtvilla damit finanzieren, bevor du merkst, dass das, was du heute erschaffst, gestern schon keine Zukunft mehr hatte?
Um neue Probleme zu lösen, kann man keine alten Wege gehen! Ein Mensch, der zum Stillschweigen und Unsichtbar-Sein sein erzogen wird, wird keine Zivilcourage zeigen und seine Stimme erheben. Jemand der ab 6 Jahren lernen muss, seine eigenen Bedürfnisse zu missachten, wird es schwer haben, achtsam mit denen anderer Menschen umzugehen.
Christin-Isabell Biergans
https://t.me/simonevoss