❄️Märchendeutungen durch Runen: Frau Holle❄️
🐂uruz
Aus Feuer und Eis, aus der Polarität von Wärme und Kälte, ist nach eddischem Glauben die sichtbare Welt entstanden. Zwischen ihnen klaffte der gähnende Abgrund (Cinungagab).
Wie nun die Eisströme dem Feuermeer (Muspil-heim) sich näherten, da leckte die Kuh Audhumbla, die Saftreiche, aus dem Eise den Riesen Ymir hervor, dem unter den Händen Maid und Mann zumal herauswuchsen, und dessen einer Fuß mit dem anderen den Ser-häuptigen Sohn zeugte. Ymir ward von den drei Asen, Burs Söhnen, die aus solchem Geschlecht entsprossen waren, erschlagen.
Aus seinem Fleisch formten sie die Erde, aus seinem Schweiße die See, aus den Gebeinen die Berge, aus den Haaren die Bäume, aus dem Hirnschädel den Himmel (Grimnis-mal). Sinnbildlich will diese ganze Sage verstanden werden, die in sich die Geheimnisse der Urzeit birgt, deren Zeichen die Ur-Rune ist, das Bild des Ur-Stiers.
In der zweiten Wohnung der göttlichen Asen haust Uller, der Eis- und Brunnengott, und Ydallir oder Bogental heißt seine Wohnung. In der christlichen Legende ward er zum heiligen Ullrich, dessen Ohm ›Adalar‹ genannt wird. Man beachte den Namengleichklang! Auch ihm sind die Brunnen geweiht. So gehören Uller und die Ur-Rune zusammen.
Denn auch die Ur-Rune bildet einen Bogen, die Einlaßtür zur Welt, wie sie geradezu genannt wird. Sie ist die Urne oder das Schöpfungsbecken der Welt, das mütterliche Prinzip des Weltalls. So ward sie zum URda-Brunnen, aus dem alles Leben hervorquillt und zu dem es in der Eisesstarre des Todes zurückkehrt.
URda ist als älteste der drei Schwestern, die am Urdabrunnen das Weltenschicksal weben, die Norne der Vergangenheit.
Unter den Wurzeln der Weltenesche liegt das Reich der Hel, das Totenreich. Nicht wie die christliche Hölle ist sie ein Flammenreich der Qualen, nicht wie der griechische Hades ein Schattenreich der Bewußtlosigkeit, sondern ein winterlicher Ruhezustand, in den die Seele übergeht, wenn sie die Erde verläßt und aus dem sie zu neuem Leben wiederkehrt.
Daß die Germanen an diese Wiederkehr glaubten, geht aus verschiedenen Stellen der Edda hervor. Ihre Kampffreudigkeit und Todesverachtung hängt mit diesem Glauben zusammen, der freilich nicht dogmatisch gewertet darf, ebensowenig wie jenes Reich der Mütter, das Goethe im zweiten Teil des ›Faust‹ dichterisch gestaltet hat:
Was einmal war, in allem Glanz und Schein,
Es regt sich dort, denn es will ewig sein.
Und ihr bewegt es, allgewaltge Mächte
Zum Zelt des Tages, zum Gewölb der Nächte.
Die einen faßt des Lebens holden Lauf,
Die andern sucht der kühne Magier auf.
Noch heute sagt der Volksmund, wenn es in weichen Flocken schneit: ‚Frau Holle schüttelt ihre Betten aus”, und gibt damit kund, daß ihm die Hel als mütterlich freundliches Wesen erscheint, das sich der dahingeschiedenen Seelen annimmit und jede nach ihrem Verdienst behandelt. Das gleiche will auch das Märchen von der Frau Holle besagen
Die schöne und fleißige Stieftochter einer Witwe ward von dieser gegenüber ihrer rechten häßlichen und faulen Tochter zurückgesetzt und mußte alle schmutzige Arbeit im Hause tun. Das arme Mädchen mußte sich täglich auf die große Straße bei einem Brunnen setzen und mußte soviel spinnen, daß ihm das Blut aus den Fingern sprang.
Nun trug es sich zu, daß die Spule einmal ganz blutig war, da bückte es sich damit in den Brunnen und wollte sie abwaschen; sie sprang ihm aber aus der Hand und fiel hinab.
Die Stiefmutter verlangte, daß es sie wieder brächte. Da sprang es in der Herzensangst in den Brunnen, um die Spule zu holen.
Es verlor die Besinnung, und als es erwacht und wieder zu sich selber kam, war es auf einer schönen Wiese, wo die Sonne schien und vieltausend Blumen standen.
Auf dieser Wiese ging es fort und kam zu einem Backofen, der war voller Brot; das Brot aber rief:
Ach, zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich, ich bin schon längst ausgebacken.
Da trat es herzu und holte mit dem Brotschieber alles nacheinander heraus. Danach ging es weiter und kam zu einem Baum, der hing voll Äpfel und rief ihm zu: